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"Wildtier des Jahres 2016"

Feldhamster kämpft ums Überleben

             

Seit Jahren bemüht man sich darum, den Feldhamster vor dem Aussterben zu retten. Offenbar ohne Erfolg. Eine Modellrechnung sagt: Die Zeit für den bedrohten Nager läuft schon bald ab.

Rund vier Wochen liegen die Feldhamster noch im Winterschlaf. Dann geht für die vom Aussterben bedrohten Tiere ein neues Jahr im Kampf ums Überleben los. "Der Rückgang ist beängstigend und nennenswerte Vorkommen gibt es nur noch in Rheinhessen", sagt der Leiter des Artenschutz-Referats im rheinland-pfälzischen Landesamt für Umwelt, Ludwig Simon. Nach manchen Modellrechnungen sei bereits in zwölf Jahren ein Aussterben der Art zu erwarten. Rheinhessen gehört mit seinen Lössböden bundesweit zu den Hauptverbreitungsgebieten des Hamsters. In der Vorder- und der Südpfalz wurden dagegen nur noch vereinzelt Feldhamster gesichtet.

"Wir laufen wie der Hamster im Rad"
Dabei bemühen sich Land, Naturschutzbehörden und Kommunen schon seit 2001, den Bestand von Cricetus cricetus zu sichern, wie der Feldhamster wissenschaftlich heißt. Damals wurde ein Artenhilfsprogramm (AHP) gestartet: Landwirte erhalten etwa eine Prämie, wenn sie ungenutzte Ackerrandstreifen mit naturbelassenen Wiesen, Stauden und Sträuchern anlegen. Seitdem bemüht sich das Land in Gesprächen mit Bauern, diese zum Mitmachen zu bewegen. "Wir laufen wie der Hamster im Rad", sagt Simon.
Ausgleichsmaßnahmen werden auch vereinbart, wenn es etwa beim Bau von Windrädern zu schwer wiegenden Eingriffen in Natur und Landschaft kommt. "Wir wünschen uns, dass Ausgleichsmaßnahmen zügig und fachlich gut umgesetzt werden", sagt die Nabu-Referentin Cosima Lindemann. Das sei leider nicht immer der Fall.
Auf dem Windfeld Rheinhessen-Pfalz bei Flomborn, wo im Jahr 2000 die ersten Windräder errichtet wurden, begannen 2010 die Gespräche über gezielte Ausgleichsmaßnahmen. Inzwischen läuft die Umsetzung an: Ein späterer Stoppelumbruch nach der Getreideernte sowie der Anbau von Luzerne oder anderen Blütenpflanzen soll nach Auskunft der Unteren Naturschutzbehörde im Kreis Alzey-Worms dem Hamster, aber auch der Wachtel und anderen Arten zugute kommen.

Landwirte in Worms mit großem Engagement dabei
Wie hier im Heidelberger Zoo werden Feldhamster gezüchtet, um sie zu erhalten
In Worms seien die Landwirte mit großem Engagement dabei, sich an Schutzmaßnahmen zu beteiligen, lobt der Biologe Holger Hellwig, der im Auftrag der Stadt ein Feldhamster-Schutzkonzept erstellt hat. Der vom Aussterben bedrohte Nager hatte dort 2013 die Pläne für das Gewerbegebiet "Hoher Stein" gestoppt. Die insgesamt rund 100 Hektar große Fläche wird nun in Parzellen verpachtet, wobei Naturschutzauflagen umgesetzt werden müssen.
"Es ist alles gut aufgestellt, es fehlen nur noch die Hamster", sagt Hellwig. In dem Gebiet lebten nach seiner letzten Zählung gerade noch 17 Feldhamster. Und eine explosive Vermehrung sei kaum zu erwarten, solange sich die landwirtschaftliche Produktionsweise nicht grundsätzlich ändere. So erlitten die Tiere regelmäßig einen "Ernteschock", wenn sich ihr Landschaftsraum von heute auf morgen völlig verändere.

Zu wenig Nahrung während Fortpflanzungszeit

Hinzu kommt die Praxis, dass die Stoppeln nach der Getreideernte sofort in den Boden eingearbeitet werden und nicht mehr wie früher länger liegen bleiben - und dann dem Hamster mit Restkörnern reiche Nahrung boten. Dem Hamster schade auch der Wechsel zu früher reifenden Getreidesorten, erklärt Hellwig. Wenn schon Mitte oder Ende Juli geerntet werde, gebe es für die Tiere mitten in der Reproduktionsphase nicht genug Nahrung: "Die zwei oder drei Wochen alten Jungtiere verlassen den Bau in den sicheren Tod."
Gar nicht gut war für den Hamster der milde Winter: "Weil es zu warm war, haben die Tiere zu wenig geschlafen und mehr Energie verbraucht als sonst." Und in der dauerfeuchten Umgebung verdirbt der gesammelte Nahrungsvorrat schneller als bei Frost.

Im Zoo gezüchtet, dann ausgesetzt
In anderen Bundesländern gibt es bereits Programme zur Erhaltungszucht von Feldhamstern. So züchtet etwa der Zoo Heidelberg Feldhamster, die dann bei Mannheim ausgesetzt werden, zum Teil mit einem kleinen Sender am Halsband, um ihre Ortsveränderungen zu beobachten und Hinweise zur Sterblichkeit zu erhalten. "Das werden wir über kurz oder lang auch brauchen, um die Tiere reproduktionsfähig zu erhalten", sagt Feldhamster-Experte Hellwig.
Nicht nur die Hamster sind von den Folgen der intensiven Landwirtschaft und der Zerstückelung des natürlichen Lebensraums durch den Straßenbau betroffen. Auch andere Tiere, die sich über Jahrtausende an die Bedingungen der Kulturlandschaft angepasst haben, sind bedroht - so etwa auch die Feldlerche, die Wachtel und der Feldhase.



Weitere Informationen: Feldhamster kämpft und Artenschutz für das Wildtier des Jahres

             

Quelle: SWR Fersehen www.swr.de